Infografik Folgen bei Hygieneverstößen in der Lebensmittelbranche: Bußgeld, Krankheit, Unternehmensschaden.

Hygieneverstöße: Unternehmerische Pflichten in Lebensmittelunternehmen – Hygiene ist Führungsaufgabe

Von Jennifer Ziegler

Manchmal denke ich noch lange über Dinge nach, die ich in Kundenbesuchen gesehen, gehört oder gefühlt habe. Vor allem dann, wenn Dinge nicht so laufen, wie sie sollten oder sogar schwere Hygieneverstöße vorliegen.

Was ist passiert?

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Ich besuche regelmäßig Kunden in der Lebensmittelherstellung oder in Gastronomien. Einige begleite ich in jährlichen Audits. Es freut mich, zu sehen, wie sich Unternehmen über die Zeit entwickeln.

Verbesserungen in der Hygiene sind dabei ein Fokusthema.

Manchmal erlebe ich aber auch das Gegenteil: Ein Unternehmen, das bislang gut gearbeitet hat, fällt plötzlich ab. Die Ursache ist fast immer dieselbe: ein Führungskräftewechsel – häufig begleitet von einer „Lücke“, in der keine verantwortliche Führungskraft vor Ort war. Das Team findet dann Übergangslösungen, die bleiben – wenn die neue Führungskraft sie nicht aktiv stoppt. Und weil der erste Fokus oft auf Wirtschaftlichkeit und Kundenservice liegt, fällt es nicht auf, wenn die Hygiene den Bach runtergeht.

Die Mitarbeitenden lernen: „Passt schon!“ und “Interessiert eh keinen!” – und genau das ist das Problem.


Hygieneverstöße: Woran erkennt man diese?

  • Aufzeichnungen werden gar nicht oder lückenhaft geführt.
  • Es gibt Systeme, die anzeigen, ob Aufzeichnungen gemacht wurden – eingetragen wird „grün/OK“, obwohl das nicht stimmen kann.
  • Copy-&-Paste-Temperaturen ohne Nachkommastellen: z. B. Kühlschrank 1: 5 °C; Theke: 5 °C; …
  • Handwaschbecken vorhanden, aber ohne Seife/Desinfektionsmittel/Handtücher – und trocken.
  • Zu große Mengen werden vorproduziert, teils inkorrekt gekennzeichnet oder interne MHDs werden nicht eingehalten.
  • …und vieles mehr.
Beispiel, erstellt mit KI.
Finde die Fehler … einige Dinge sind unrealistisch, einiges habe ich schon genau so gesehen.

Warum ist das so schlimm?

Die Frage ist rhetorisch. Mein Grundsatz lautet: Was ich meinen Kindern nicht zu essen geben würde, darf auch nicht an den Gast gehen! Niemand möchte aufgrund von Hygieneverstößen Opfer von lebensmittelbedingten Erkrankungen werden. Wie schlimm die Folgen sein können, zeigt das Story-Archiv von Stop Foodborne Illness. Ein Beispiel daraus, das kein Einzelfall ist und mich unendlich traurig und betroffen macht – Serena (gekürzt und aus dem Englischen übersetzt):

Unsere Enkelin Serena war vier Jahre alt, lebensfroh und voller Energie. Ende August 2014 spielte sie noch mit ihren Cousinen, aß Wassermelone, lachte und tanzte.
Kurz darauf bekam sie Durchfall, der sich schnell verschlimmerte – bald sogar mit Blut im Stuhl.
Die erste Diagnose im Krankenhaus lautete „Rotavirus“. Ein E.-coli-Test wurde nicht gemacht, und der Kinderarzt hielt sie trotz der Symptome für „gesund“. Doch Serenas Zustand verschlechterte sich rasant: Nierenversagen, Dialyse, schließlich Verlegung ins Kinderkrankenhaus.
Dort bestätigte sich die Ursache: E. coli O157, ein gefährlicher Darmkeim. Bei Kindern kann er das Hämolytisch-Urämische Syndrom (HUS) auslösen – eine lebensbedrohliche Komplikation für Nieren und Gehirn.
Serena kämpfte tapfer. Nach einer Dialyse begrüßte sie ihre Eltern noch mit einem Lächeln. Kurz darauf erlitt sie einen Schlaganfall. Zehn Tage nach den ersten Symptomen mussten wir uns verabschieden.
(basierend auf: Serena – Stop Foodborne Illness / https://stopfoodborneillness.org/stories/serena/)

Niemand möchte Ursache einer solchen Erkrankung sein. Und dennoch finde ich immer wieder Beispiele für unhygienischen Umgang und Hygieneverstößen mit Lebensmitteln.


Typische Ursachen für Hygienemängel

  • Fehlendes Wissen: Es fehlen effektive Schulungen – oder das Verständnis (Sprachbarrieren, mangelnde Schulungsqualität).
  • Zu wenige Mitarbeitende.
  • Unpassende Lieferzyklen: zu viel Ware auf einmal, mangelnde Lagerflächen.
  • Zu wenig Aufmerksamkeit für die Arbeit in der Küche: „Hauptsache, das Essen ist pünktlich fertig.“

Schon Ekel (z. B. Haare/Dreck im Essen) ist nicht in Ordnung. Nachlesen kannst du das in der Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV):

Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln (Lebensmittelhygiene-Verordnung – LMHV)
§ 2 Begriffsbestimmungen
(1) Im Sinne dieser Verordnung sind

  1. nachteilige Beeinflussung: eine Ekel erregende oder sonstige Beeinträchtigung der einwandfreien hygienischen Beschaffenheit von Lebensmitteln, …
    Aus https://www.gesetze-im-internet.de/lmhv_2007/__2.html

Verantwortung der Führungskraft

  • Bei vielen Führungskräften liegt der erste Fokus auf dem Umsatz. Das ist riskant. Ich empfehle, durch geeignete interne Audits die Küchenhygiene (und die Arbeitssicherheit) regelmäßig zu bewerten – mit festen Terminen und immer mit den Bereichsverantwortlichen.
  • Führungskräfte müssen korrekt geschult sein.
  • Und sie müssen ihre Rechtsverantwortung kennen. Sie ist klar geregelt in der VO (EG) Nr. 178/2002:

VERORDNUNG (EG) Nr. 178/2002 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES (Konsolidierter TEXT: 32002R0178 — DE — 01.07.2024)
Artikel 3, 3. „Lebensmittelunternehmer“ … verantwortlich, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts in dem ihrer Kontrolle unterstehenden Lebensmittelunternehmen erfüllt werden;
Artikel 19 Verantwortung für Lebensmittel: Lebensmittelunternehmen (Abs. 1–4) – Rücknahme/Rückruf, Information der Behörden/Verbraucher, Mitwirkung und Rückverfolgbarkeit.
Aus https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:02002R0178-20240701


Hygieneverstöße: Mögliche Folgen bei Verstößen im Lebensmittelrecht

Neben den Folgen für Verbraucher gibt es rechtliche Folgen für Unternehmen und Mitarbeitende.
Verstöße im Lebensmittelrecht sind z. B.:

  • Hygieneverstöße (nach VO (EG) 852/2004)
  • Kennzeichnungsverstöße (nach LMIV)
  • Rückverfolgbarkeit / Dokumentation
  • Werbung/Health Claims
  • Eigenkontrollpflichten (HACCP)
Infografik Folgen bei Hygieneverstößen in der Lebensmittelbranche: Bußgeld, Krankheit, Unternehmensschaden.

Die Behörden können Bußgelder verhängen – von hunderten bis tausenden Euro; das LFGB sieht in schweren Fällen sogar bis 100.000 € vor.
(Quelle: § 60 LFGB – Einzelnorm / https://www.gesetze-im-internet.de/lfgb/__60.html)


Was tun? – Praxisleitfaden für den Alltag

Für Führungskräfte

  • Pflichten kennen und ernst nehmen.
  • Begleiten statt nur kontrollieren: mitlaufen, Fragen stellen, richtiges Verhalten loben – Fehlverhalten konsequent adressieren (Gespräch → Maßnahmen vereinbaren → Nachkontrolle; im Wiederholungsfall: Abmahnung).
  • Kultur schaffen, in der Mitarbeitende gern melden, bevor etwas schiefgeht.
  • Feste Routinen:
    • Tägliche Sichtchecks (Hände/PSA, Sauberkeit, Temperaturführung).
    • Hygiene-Rundgänge mit Kurzprotokoll (5–10 Min.).
    • Monatliche interne Audits mit Fotos, Maßnahmen, Termin & Verantwortlichen.
  • Schulungen wirksam machen: kurz, praxisnah, visuell; Sprachversionen bereitstellen; Verständnis prüfen (z. B. 3-Fragen-Check).

Für Mitarbeitende

  • Vorgaben einhalten.
  • Sofort melden, wenn etwas nicht passt (Temperaturen, Kontamination, Kennzeichnung, Schädlingssichtung).

Für beide


Quick-Check: 10 Punkte, die heute schon besser laufen können

  1. Handwaschplätze vollständig (Seife, Desinfektion, Einmalhandtücher) – und nass vom Nutzen.
  2. Temperaturaufzeichnungen mit realistischen Werten (inkl. Nachkommastellen) + Stichprobenmessung.
  3. MHD/Interne Haltbarkeit: FIFO/FEFO praktisch sichtbar (z. B. farbige Tageslabels).
  4. Reinigung: tagesaktueller Plan + Vor-Ort-Kontrolle (Wischtest/Fotos).
  5. Schädlingsmonitoring dokumentiert; Köder beschriftet und datiert.
  6. Wareneingang: Mengen, Temperaturen, Etiketten/Allergene geprüft.
  7. Lagerordnung: Trennung roh/gar, Überfüllung vermeiden.
  8. Schulung to go: Vor der Arbeit, danach regelmäßig auffrischen – am besten vor Ort; Sprachen berücksichtigen.
  9. Mini-Audit: 1 h /Monat mit Checkliste und mindestens 3 Maßnahmen.
  10. Kultur: „Melden ist erwünscht“ – sichtbar machen (Aushang, Team-Briefing).

Fazit

Hygiene ist Führungsaufgabe!

Wer Verantwortung trägt, schützt Menschen – und das Unternehmen. Führung beginnt nicht auf Papier, sondern im Alltag: durch Vorbild, wirksame Routinen und eine Kultur, die „Passt schon!“ durch „Wir machen’s richtig. Und mit Freunde!“ ersetzt.

Partnerbereich | Praxistrainings-LMS

Wenn du Unterstützung brauchst – von Quick-Audit bis Schulungen (z. B. #FSSC22000, #IFS, #BRCPackaging, #HACCP) – melde dich gern: info@praxistrainings-lms.de


Hast du Fragen?

Habt ihr Fragen zu den neuen Empfehlungen oder möchtet ihr wissen, wie ihr sie in eure QM-Systeme einbindet? Schreibt uns gerne – wir freuen uns über den Austausch in den Kommentaren oder per Mail.


Beitrag erstellt von Jennifer Ziegler, 27.8.25

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